Neues auf den Weg bringen

Gottesdienst

Foto: Evang. Bildungszentrum Hermannsburg / Wulf Voss

Projekt "moving times"

Neues auf den Weg bringen
Live-Übertragung aus der Kirche St. Peter und Paul in Hermannsburg
11.02.2024 - 10:05
Über die Sendung:

Gestaltet wird dieser Gottesdienst von jungen Erwachsenen, die bei dem Projekt „moving times“ mitgemacht haben. „Neues auf den Weg bringen“ das ist das Motto von „moving times“ und so ist auch dieser Gottesdienst betitelt.

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Predigt zum Nachlesen:

Unsere Predigt ist Gespräch. Marieke Mönch und ich, Friedemann Müller, sprechen über den Bibeltext, den wir vorhin gehört haben. Gott spricht: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.“

Wir laden Sie ein, an unserem Gespräch über diese Sätze aus der Bibel innerlich teilzunehmen. Ergänzen Sie für sich unsere Gedanken. Lassen Sie sich anregen. Widersprechen Sie uns innerlich. Lassen Sie Fragen entstehen.

Um das Neue, um neue Wege und Perspektiven geht es in unserer Predigt. Auch im Kursprojekt „moving times“ geht es darum. „Neues auf den Weg bringen“ – ist das Motto.  

Marieke Mönch: Wir haben dieses Thema für den Gottesdienst gewählt, weil Leben nun mal Veränderung ist. Wir müssen irgendwie alle damit umgehen, dass sich Dinge verändern. Neues passiert immer wieder im Leben. Auch wenn man sich weiter entwickeln will, dann finde ich es ganz wichtig, dass man immer wieder Neues probiert und sich neuen Dingen zuwendet. Und gerade jetzt in dieser krisengeschüttelten Zeit, wo uns so viele Dinge belasten, die Kriege und die Klimakrise zum Beispiel, da brauchen wir dringend Veränderungen und neue Ideen.

Friedemann Müller: Unser Predigttext nimmt Bezug auf eine besondere Situation des biblischen Volkes Israel. Da ist ein Teil der Israeliten, vermutlich überwiegend Oberschicht, seit fast 50 Jahren nach Babylon verschleppt. Trotz eingeschränkter Rechte haben sie sich da eingerichtet. Das mussten sie ja. Sie mussten sich irgendwie arrangieren, damit sie dort einigermaßen gut leben konnten. Und jetzt hat der Perserkönig Kyros die Babylonier besiegt und ermöglicht den Israeliten heimzukehren. Nach 50 Jahren stehen sie vor der Frage: Bleiben oder gehen? Also, ein neues Leben wagen, aufbrechen? Zurück in die Heimat? Oder alles beim Alten lassen, weil das Risiko zu groß ist, weil man sich eben irgendwie eingelebt hat?

Marieke Mönch: Das kennen – glaube ich - viele. Etwas wagen oder in seiner Komfortzone bleiben. „Raus aus der Komfortzone“ – das war bei dem Kurs „moving times“ ein geflügeltes Wort. Also, mal was riskieren, damit betritt man die Wachstumszone. So haben wir es in dem Kurs gelernt. Da könnte man jetzt fragen: In welchen Lebenssituationen haben wir ganz aktuell etwas zu wagen? Vielleicht auf jemanden zugehen und ein Missverständnis aus dem Weg räumen. Vielleicht eine schwierige Entscheidung fällen. Ja klar, es geht eigentlich immer um schwierige Entscheidungen, die zu treffen sind.

Friedemann Müller: Der Unterschied zur Situation der Israeliten in der Bibel ist vielleicht, dass es bei ihnen um ein kollektives Problem geht. Die Israeliten mussten sich entscheiden, ob sie gemeinsam eine neue Zukunft wagen wollen.

Marieke Mönch: Ja, das, was uns alle als kollektives Problem – wie du sagst – betrifft, das sind die großen Zukunftsthemen. Irgendwie wissen wir, dass sich was ändern muss. Aber es geschieht so wenig.

Friedemann Müller: Ich glaube, wir neigen dazu, dass die Normalität unseres Lebens nicht gestört werden soll. Am besten ist es, wenn alles beim Alten bleibt. Das geht aber nicht. Neue Wege bräuchte es, um für eine gerechte und zukunftsfähige Lebensweise zu sorgen, um den verlogenen Antidemokraten in unserm Land die Stirn zu bieten, für den Frieden im Nahen Osten oder um wirksam der Klimakrise zu begegnen. All das geht aber nicht, wenn wir in unserer kollektiven Komfortzone bleiben. Veränderungen haben ihren Preis. Zum Nulltarif gibt es sie nicht. Das wusste auch das biblische Volk Israel.

Marieke Mönch: Unser Predigttext aus dem Prophetenbuch Jesaja: „Gott spricht: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.“

Gott ermutigt zum Aufbruch. „Ich mache einen Weg in der Wüste“ – damit erinnert Gott daran, dass er sein Volk schon einmal befreit hat, aus der Sklaverei in Ägypten, und es durch die Wüste geführt hat.  So wie damals, so soll es auch heute sein. Unser Gott wird euch führen durch Wüsten und Einöde bis in das gelobte Land. Vertraut darauf!

Friedemann Müller: Spannend, dass die Wüsten und Einöden auf dem Weg zum Neuen dazugehören.

Marieke Mönch: Eben. Das Risiko des Aufbruchs und die Mühen, die damit verbunden sind, werden nicht verschwiegen. Aber Gott hilft, sie zu durchleben. Dieses Versprechen hilft vielleicht, die Entscheidung für den Aufbruch zu Neuem zu erleichtern.

Friedemann Müller: Und dann gibt es noch die Ermahnung: „Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorherige!“ Also, lasst die Vergangenheit vergangen sein. Schaut nicht mehr zurück, sondern blickt nach vorne.

Marieke Mönch: Mir fällt dabei ein, wie oft ich dem Vergangenen nachtrauere. Da ist ein schönes Konzert oder ein gemeinsamer Spieleabend mit Freunden…Und zack, sind sie auch schon wieder vorbei. Auch ältere Menschen fallen mir ein, die bedauern, dass die Zeit mit ihren kleinen Kindern so schnell vergangen ist oder überhaupt dass die Zeit so schnell vergeht. „Man müsste nochmal jung sein“, sagen ja einige. All das zeigt einerseits, wie wertvoll alles war. Vielleicht auch, was man glaubt, verpasst zu haben. Aber andererseits kann solche Trauer auch den Blick für das verstellen, was jetzt dran ist.

Friedemann Müller: Wenn mir das Vergangene Freude macht – z. B. wenn ich mir Fotos ansehe –, dann macht mich das dankbar. Ich finde, dann ist die Erinnerung an das Vergangene total wertvoll. Wenn es aber hinderlich wird, dann versuche ich, es hinter mir zu lassen. Das ist leichter gesagt als getan.

Marieke Mönch: Das denke ich auch. Vergangenes blockiert mich, wenn es unversöhnte Lebenssituationen gibt. Wenn ich mich mit jemandem zerstritten habe, wir uns gegenseitig nicht verzeihen können, uns gegenseitig Schuld zuweisen, wir nicht miteinander sprechen. Solche Situationen hindern uns.

Friedemann Müller: Absolut, das hindert massiv.

Marieke Mönch: Und dann gibt es noch die tiefen Lebensüberzeugungen, die vieles verhindern können: „Das bringt doch alles nichts. Warum soll ich, sollen doch erst einmal die anderen. Werde erstmal so alt wie ich. Das haben wir früher schon versucht.“

Friedemann Müller: Mit solchen Überzeugungen kommt man nicht ins Handeln. Dann bleibt alles beim Alten. Das gibt wohl eine Menge Faktoren, die uns hindern, mutig neue Schritte zu gehen.  Nicht zurückschauen, sondern nach vorne. – Wahrscheinlich muss man sich auch darin einüben. Der Schriftsteller Robert Musil spricht vom „Möglichkeitssinn“, den es zu entwickeln gilt. Das finde ich ein schönes Wort: Möglichkeitssinn. Es nimmt das Verlockende in den Blick, nicht das, was uns hindert. Wie könnte es aussehen, den Möglichkeitssinn zu schulen?

Friedemann Müller: Manchmal sehnen wir uns nach dem Neuen. Immer dann ist es nötig, wenn wir am Verzweifeln sind, wenn die Lösungen für unsere großen Probleme fehlen. Ich finde, unser Predigttext aus der Bibel antwortet auf solche Situationen. Gott spricht: „Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“ Dabei kommen mir sofort zwei Gedanken: Erstens, nicht ICH muss die Lösungen finden. GOTT ist es, der hier Neues schafft. Und zweitens: Das Neue könnte ganz anders sein, als ich dachte.

Marieke Mönch: Ich finde das einen unglaublich schönen Gedanken: Das Neue wächst von alleine, zunächst ohne unser Zutun. Das ist total entlastend. Wir spüren das ja ständig, dass wir selber nur ganz wenig zur Lösung der großen Probleme beitragen können. Manchmal können wir sogar gar nichts tun. Dann bleibt nur hoffen und vertrauen.

Friedemann Müller: Mir geht es auch so. Und was mich besonders anspricht: Jetzt schon wächst das Neue. Es zeigt sich schon. Inmitten unserer Probleme, inmitten unserer Sorgen oder Ängste wächst das Neue schon. Schau hin. Vielleicht kann man etwas pointiert sagen: An Gott zu glauben, heißt wahrnehmen lernen. Nimm wahr, was schon da ist. Werde Erkennende. Und es gibt eine tröstliche und zutiefst realistische Perspektive: Nicht wir schaffen das Neue. Gott schafft es.

Marieke Mönch: Wenn ich meinen Blick auf das richte, was wächst, dann schaue ich nicht auf das, was fehlt. Dazu neige ich ja oft. Aber stattdessen auf das sehen, was entsteht und wächst. Daran kann ich dann mitwirken. Das ist wie bei einer Pflanze, die wächst ja auch einfach so. Aber ich kann sie pflegen und muss sie vielleicht auch gießen.

Friedemann Müller: Genau auf diese Weise haben wir dann Anteil an der großen Geschichte Gottes. Wir gießen die Pflanzen, die Gott wachsen lässt. So machen wir an seinem Zukunftsprojekt mit. Nicht wir schreiben dann unsere Geschichte, sondern Gott schreibt seine mit uns. Das meinte ich auch mit dem Gedanken, dass das Neue ganz anders kommen könnte, als wir denken.

Marieke Mönch: Das Volk Israel in der Bibel ist aufgerufen, das Neue zu wagen. Aufbrechen sollen sie. In ihre Heimat zurückkehren. Wenn man dies überträgt auf uns heute, dann bleibt die Frage, wohin wir heute aufbrechen sollen.

Friedemann Müller: Ich glaube, es geht um zwei Punkte. Zum einen um unsere Gottesbeziehung.  Eben hast du von Heimat gesprochen…  Für das biblische Volk Israel sind Jerusalem und der Tempel nicht nur geografische Heimat. Das ist auch der Ort, an dem sich die Beziehung zwischen Gott und den Menschen vollendet. Hier finden sie Heimat in Gott. Vielleicht kann man den Text als Einladung verstehen, Heimat in Gott zu finden. Lass uns aufbrechen, um bei Gott anzukommen. 

Marieke Mönch: Damit hast du aber diese sehr konkrete Geschichte in unser Inneres verlagert. Wir haben bisher bewusst vermieden von dem Neuen, das sich zeigt, zu sprechen. Wo sind wir heute aufgerufen, uns auf den Weg zu machen? Das wäre doch schön, wenn wir das sagen könnten.

Wir meinten aber,  dass es unsere Hörerinnen und Hörer überlassen bleiben sollte, sich selbst solcher Entdeckungen bewusst zu werden. Trotzdem: Kann nicht - wie damals - auch für uns klar werden, wohin die Reise geht?

Friedemann Müller: Der Kompass für die Reise, zu der Gott ruft, ist alles das, was dem Leben dient. Aufbrechen, ins Handeln kommen, für das, was dem Leben dient.

Liebe üben, die Schreie der Schöpfung hören, für Wahrheit und Gerechtigkeit eintreten, das sind nur einige Hinweise, die wir natürlich konkret füllen müssen.

Marieke Mönch: Damit kommen wir dann in einer Welt an, die so schön ist, wie sie von Gott gedacht ist. In einem Miteinander, in dem wir uns gegenseitig unsere Würde bestätigen. Oder in einem Mitgefühl mit allem, was lebt, weil wir als Geschöpfe Gottes miteinander verbunden sind.

Friedemann Müller: Es wäre schön, dort anzukommen, bei Gott und in einer Welt, wie du sie beschreibst. Vielleicht aber ist es heute zuerst wichtig, dass wir uns aufmachen. Dabei kann der Predigttext uns ermutigen. Er erzählt, dass wir auf unseren Wegen nicht allein sind. Gott wird für uns sorgen.

Marieke Mönch: Aber auch das ist Glaubensrealismus: Auch der Weg, den wir mit Gott gehen, ist kein leichter Weg. Er führt durch Wüste und Einöde. Ich finde, das sind stimmige Bilder für die schweren Zeiten im Leben. Es ist nicht immer alles leicht. Aber selbst auf solchen steinigen und staubigen Wegen, so sagt unser Predigttext: Schau hin! Hab Vertrauen! Gott spricht: „Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.“ Da gibt es Wasser im Überfluss. Erfrischung. Zu trinken, so viel wir wollen, gegen den großen Durst. Was wir brauchen, wird Gott uns geben. Am Ende jubelt dann doch alles, nicht weil wir an unser Ziel gekommen sind, sondern weil Gott sich um die Seinen sorgt.

Friedemann Müller: So ist es! Amen!

Es gilt das gesprochene Wort.