Fotografieren: Sehschule und Gebet

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Joseph Pearson

Fotografieren: Sehschule und Gebet
Morgenandacht von Landespfarrerin Petra Schulze
23.04.2024 - 06:35
25.03.2024
Landespfarrerin Petra Schulze
Sendung zum Nachhören:

Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage! 

Die Sendung zum Nachlesen: 

Hoffmann:

Ich habe immer wieder mal dieses Gefühl - ich nenn das mal so ein inneres Wissen - jetzt musst du deine Kamera mitnehmen. Und das ist fast wie eine Stimme, die ich höre.

 

Wenn der evangelische Pfarrer Jürgen Hoffmann aus Düsseldorf mit seiner Fotokamera unterwegs ist, dann geht es ihm nur selten um das technisch perfekte Foto.

 

Hoffmann:

Ich habe nicht das Ziel, gute oder besonders gute Bilder zu machen. Aber für mich verbindet sich mit vielen meiner Bilder etwas, was dahinter steckt - eine kleine Geschichte oder eine Botschaft. Und wenn ich es für mich auf den Punkt bringe, dann möchte ich das so beschreiben: Wenn ich fotografiere, bete ich.

 

Diese spirituelle Seite der Fotografie nennt man kontemplative Fotografie.

 

Hoffmann:

Eine Kamera ist ein Instrument, das uns lehrt zu sehen, ohne eben diese Kamera. Ob mit oder ohne Kamera - es hat ganz viel mit Sehen zu tun. Und wenn ich Kurse gebe in kontemplativer Fotografie, dann ist das eigentlich mehr eine Sehschule als ein Fotokurs, in dem man jetzt lernt, wie man technisch perfekte Bilder macht.

 

Pfarrer Jürgen Hoffmann erklärt, worum es in dieser Sehschule geht:

 

Hoffmann:

Wenn wir jetzt von kontemplativer Fotografie sprechen, dann ist das eigentliche Ziel eben, kein Ziel zu haben. Sondern zu schauen, was kommt. Einfach da zu sein, wach zu sein. (…) Diesen frischen Blick zu haben und sich überraschen zu lassen von dem, was da kommt.

 

Und dabei tiefer in die Dinge zu sehen. Jürgen Hoffmann gibt mit einem Kollegen Kurse in kontemplativer Fotografie. Um teilzunehmen, brauche ich keine besondere Ausbildung und auch keine besondere Kamera. Handy reicht auch. Und dann: 

 

Hoffmann:

Wir schauen alle das Gleiche an, und es entstehen fünfzehn verschiedene Bilder. Jeder hat seine Sichtweise, jeder hat vielleicht einen anderen Ausschnitt im Blick. Allein schon durch unsere Körpergröße entstehen unterschiedliche Bilder. Schaue ich etwas von oben an, von unten oder von der Seite an? Wie fällt das Licht auf etwas? Und ich weiß, indem ich ein Bild mache, nehme ich – sagen wir mal so - einen winzigen Moment wahr aus einer ganzen großen Geschichte.

 

Auf diese Weise mit der Kamera unterwegs zu sein, öffnet mir Herz und Sinne für das, was unerwartet auf mich zukommt.

 

Hoffmann:

Schau hin. Dann ist der Impuls da: Schau mal nach unten, und ich sehe ein Kreuz auf dem Boden. Oder: Schau nach oben, und ich sehe, wie am Himmel ein Kreuz entsteht.

 

Das Kreuz auf dem Boden ist ein neongrünes Kreuz auf dem Asphalt, eine Art Bodenplatte. Einmal entdeckt, sieht Pfarrer Hoffmann am gleichen Tag überall Strukturen von Kreuzen mitten im Alltag. Überhaupt kann ganz Alltägliches plötzlich in einem neuen Licht erscheinen.

 

Hoffmann:

Einer der Begründer der kontemplativen Fotografie, Michael Woods, war mal in der Situation, dass er nicht aus seinem Haus rauskam - krankheitsbedingt. Und dann hat er angefangen, in seinem Haus zu fotografieren. Ein halbes Jahr nur in seinem Haus. Und dann erweiterte sich so der Bereich, in dem er fotografiert hat. Ein halbes Jahr nur in seinem Garten. Das nächste halbe Jahr nur in seiner Straße. Man muss nicht ganz weit weggehen, man muss nicht die spektakulären Orte dieser Welt suchen. Man kann in seinem Badezimmer fotografieren (…) Im Garten, auf dem Balkon. Jeder Ort taugt für ein kleines Bild für die Ewigkeit.

 

Und dann merke ich:

 

Hoffmann:

Ein Foto kann ein Gebet sein. Die Situation selber bringt mich zu einer Dankbarkeit dafür, dass ich das habe sehen dürfen, dass ich dieses Bild habe machen dürfen. Das wiederholt sich, wenn ich das Bild hinterher anschaue. Und bei manchen Bildern ist es so, dass es mich wirklich dann auch nochmal ins Beten bringt. Und ich schreibe vielleicht einen Text dazu. Das kann ein ganz kurzes Gebet sein. Es kann sein, dass es mich in einen längeren meditativen Text vielleicht bringt.

 

Ob mit Kamera oder ohne, ich versuche, so in den Tag zu gehen: mich mit frischem Blick von dem überraschen lassen, was da kommt. 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

Weitere Informationen:

 

  1. Pfarrer Jürgen Hoffmann aus Düsseldorf und Pfarrer Volker Hassenpflug aus Saarlouis bieten Kurse in kontemplativer Fotografie an:
    1. https://www.fliessendeslicht.de/kontemplative-fotografie/
    2. https://www.fliessendeslicht.de/l/wenn-ich-fotografiere-bete-ich-kurs-2023/
    3. https://www.fliessendeslicht.de/kurs-fotoexerzitien/
25.03.2024
Landespfarrerin Petra Schulze