Glaube und Gezeiten

Wort zum Tage

Gemeinfrei via pixabay/ Birgit Röhrs

Glaube und Gezeiten
von Marie Marondel
09.03.2024 - 06:20
21.02.2024
Marie Marondel
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Ich sehne mich nach dem Meer. In diesem Jahr habe ich es noch nicht geschafft, aber ich fahre gerne in der Nebensaison an die Küste. Die Strände sind leer, und ich bin allein mit meinen Gedanken und den Gezeiten. Wasser umgibt mich von allen Seiten: mal als Regen von oben herab, mal in Nebelschwaden, die sich an mich schmiegen, und das Meerwasser zu meinen Füßen natürlich.

Die Nordsee wirkt manchmal so ruhig, wie sie sich bei Flut in sanften Wellen langsam ans Festland schleicht und sich bei Ebbe genauso still wieder zurückzieht. Ich staune immer, wie sich die Wassermassen, angezogen vom Mond, mal in die eine, mal in die andere Richtung bewegen. Für mich an Land ist das kaum begreifbar. Alles, was ich wahrnehmen kann, ist das Wasser, das mal da ist und dann wieder kilometerweit nicht in Sicht. Nur ein paar leicht gefüllte Rinnen lässt es zurück. Als Zeichen, ‚ich war da und ich komme wieder!‘. Denn irgendwo da draußen, auf offener See, tobt das Meer. Und ich weiß, es wird zurückkommen.

Für mich sind die Gezeiten auch ein Bild für verschiedene Lebenssituationen: „Ebbe auf dem Konto“ heißt, da war mal Geld, jetzt ist kein Cent mehr da, aber die Hoffnung, dass es zurückkommen wird. Auch manche Freundschaften, gerade die mit einer großen räumlichen Distanz, sind wie Ebbe und Flut – mal hat man mehr Kontakt, dann hört man wochenlang nichts voneinander. Aber die Freundschaft bleibt so wie das Wasser, das auch bei Ebbe nicht weg ist.

Und so ist das auch bei meinem Glauben. Es gibt Zeiten, da fühle ich mich Gott ganz nah. Ich fühle mich stark im Vertrauen auf Gott und lebe meinen Glauben im Gottesdienst, in der Gemeinschaft mit anderen Christ*innen. Und dann gibt es Zeiten, da scheint Gott mir fern. Krisen oder manchmal auch einfach alltägliche Belange, die viel von meiner Aufmerksamkeit einfordern, liegen dann zwischen mir und meinem Glauben wie das Watt bei Ebbe zwischen mir und dem Meer. Zwischen Sand und Himmel wate ich dann durch den klebrigen Schlick und stoße mich an Steinen.

In solchen Zeiten frage ich mich: Glaube ich noch? Habe ich mich von den Alltagsklauen gefangen nehmen lassen? Aber eine solche Watt-Wanderung tut gut. Abstand und Zweifel sind wichtig, um mich zu vergewissern, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Und ich vertraue darauf, dass es auch wieder andere Zeiten geben wird. Das Wasser kommt zurück. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Glaube, dieses Band zwischen Gott und mir, nie wirklich weg ist.

Es gilt das gesprochene Wort.

21.02.2024
Marie Marondel