Stier

Wort zum Tage
Stier
21.06.2018 - 06:20
07.03.2018
Hannes Langbein
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Kennen Sie Ferdinand, den Stier? – Ferdinand, der Stier, ist eine Fabelfigur aus dem gleichnamigen Buch des US-amerikanischen Kinderbuchautors Munro Leaf. Es erzählt die Geschichte von einem jungen Stier in Spanien, der für sein Leben nichts lieber tat als unter einer Korkweide zu sitzen und an den Blumen zu riechen. In Spanien sind Stiere eigentlich für die Stierkampfarena bestimmt. Sie sollten kampfeslustig sein und wutschnaubend gegen die Toreros des Landes antreten. Doch nicht so Ferdinand.

 

Ferdinand saß lieber – zum Verdruss der Toreros und zur Sorge seiner Mutter – unter einer Weide und roch an den Blumen. – Dort saß er und saß, bis er sich eines schönen Tages auf eine Biene setzte und vor Schmerz wie von der Tarantel gestochen in die Lüfte sprang und wild schnaubend durch die Gegend stampfte... – Als das die Toreros sahen, jubelten sie vor Freude und brachten Ferdinand, den „Schrecklichen“, in die Stierkampfarena, wo er von einer johlenden und tobenden Menge empfangen wurde. Die Toreros löckten ihre Stachel. Die Menge schrie. Doch als Ferdinand unter dem Gejohle der Menge in die Arena geführt wurde, da tat er, was er am liebsten tat: Nichts! Er setzte sich hin und roch an den Blumen. – so lange bis ihn die Toreros reichlich zerknirscht ziehen ließen.

 

Das brachte nicht nur die Toreros auf die Palme. Denn als die Geschichte von Ferdinand, dem Stier, 1936 erschien, war gerade der Spanische Bürgerkrieg ausgebrochen – und natürlich ließ sich die Geschichte vom friedliebenden Ferdinand auch als pazifistischer Kommentar lesen, wenn nicht gar als kommunistischer Propagandacoup: Wer mag schon gerne kämpfen, wenn er Ferdinand, den Stier, als Kinderbuch gelesen hatte? – Das Buch wurde trotz der Verdächtigung ein großer Erfolg und ein Kopfkissenbuch für alle, die sich eine friedvollere Welt und eine Oase im Trubel ihres Lebens wünschen.

 

„Seht die Lilien auf dem Feld, wie sie wachsen! Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.“– Das sagt Jesus im Mätthäusevangelium – und erinnert uns an die Kraft, die in der Seelenruhe steckt. Nicht die Arbeit, das Messen und Kämpfen, sondern die Fürsorge Gottes macht uns schön und liebenswert. „Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.“ – Das weiß offenbar auch Ferdinand, der Stier, unter der Korkweide. Jedenfalls bestätigt er es mit seiner Geschichte.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

07.03.2018
Hannes Langbein