Frosch

Wort zum Tage
Frosch
22.06.2018 - 06:20
07.03.2018
Hannes Langbein
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Der Test

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Jetzt schlägt es dreizehn! – Ein Frosch am Kreuz!?

 

Kaum eine Skulptur hat in den vergangenen Jahrzehnten so zuverlässig für religiös motivierte Proteste gesorgt wie das berühmte Schnitzbild „Die Füße zuerst“ des österreichischen Künstlers Martin Kippenberger: 1990 in fünffacher Ausführung gefertigt, zeigt es einen wahlweise grünen, violetten, silbernen oder blauen Frosch am Kreuz mit ausgebreiteten Armen, Glubschaugen und hängender Zunge, in der einen Hand ein Bierglas, in der anderen ein Spiegelei. Nicht nur wegen seines ausgemacht dämlichen Gesichtsausdrucks und seiner ungewöhnlichen Accessoires entzündeten sich immer wieder heftige Debatten: Kippenbergers Frosch verunglimpfe das Kreuz der Christen, ja den Gottessohn selbst!

 

Doch geht es Kippenberger tatsächlich um eine Verunglimpfung? – Der Leipziger Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich hält dagegen und weist darauf hin, dass es sich bei Kippenbergers Frosch keineswegs um eine zur Schau gestellte Form der Blasphemie, sondern um eine durchaus geistreiche Auseinandersetzung mit dem Zentralbild des christlichen Glaubens handelt. Martin Kippenberger sah sich nämlich selbst in seinem gekreuzigten Frosch: Ein alkoholkranker Künstler, der seine gesellschaftliche Aufgabe darin sah, stellvertretend für andere die Leiden der Gesellschaft zu empfinden und auf sich zu nehmen. Ähnlich wie Christus für die Welt, nehme der Künstler die Hypotheken seiner Umwelt auf sich, um sie stellvertretend für andere auf dem Rücken zu tragen. So wie der Frosch als Labortier für den medizinischen Fortschritt unserer Gesellschaft leide.

 

So verschieden kann man die Dinge sehen. Und so vorschnell kann man urteilen. Sollte Christen die Verunglimpfung des Heilands nicht ohnehin sehr vertraut sein? – Immerhin ist der Gekreuzigte nichts anderes als ein Spottbild seiner selbst: „INRI“ – „Jesus von Nazareth, König der Juden“, hatten die Römer auf einem Schild über das Haupt des Gekreuzigten geschrieben und damit ein Spottbild in Reinform geschaffen: „Seht her“, will das Bild sagen, „diesen verurteilten Verbrecher habt Ihr für Euren König gehalten!?“ – Das Spottbild wurde später zum zentralen Glaubensbild derer, die an Jesu Auferstehung glaubten: Ursprünglich eine Karikatur ihres Religionsgründers. Ein Spottbild, das gerade in der Zurschaustellung der Erniedrigung des Gottessohnes seine Wirkung entfaltet.

 

Das Kreuz als Zurschaustellung der Erniedrigung des Gottessohnes. Kippenbergers Frosch erfüllt diese Bildfunktion – möglicherweise sogar mehr als manch schön geschnitztes Kruzifix.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

07.03.2018
Hannes Langbein